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Das Meer: Realität oder Fiktion
Das Meer und seine unendliche Weite waren schon immer in vielerlei Hinsicht
ein künstlerisches Problem. Die Frage lautet immer wieder: Wie kann man
das Meer in all seinen Facetten, in nur einem Bild erfassen? Wie kann
man seine gewaltige Größe auf einem räumlich stark begrenzten Platz, auf
ein Foto reduzieren?
Dafür gibt es einige konventionelle Möglichkeiten: Viele Künstler verwenden
daher das Thema Meer als eine Metapher, um Melancholie, Drama oder Einsamkeit
auszudrücken. In solchen Versuchen geht es jedoch immer um das Verhältnis
zwischen Mensch und Natur. Somit sind immer ein oder mehrere Menschen
zu sehen. Ein anderer Versuch besteht darin, das Meer als Kulisse zu verwenden,
für große Seeschlachten, Orkane, Schiffbrüche usw.
Im Bereich der Fotografie sind mir vor allem die Arbeiten zweier Künstler
in diesem Zusammenhang bekannt , die sich mit dem Thema Meer beschäftige.
In Ihren Werken ist das Meer allein Objekt des Studiums: Fabien Baron
(Liquid Light) und Hiroshi Sugimoto (ebenfalls Seascapes).
Sie versuchten, diese weite Unendlichkeit zu erfassen. Machmal geht es
dabei um das Gefühl, das man als Betrachter spürt, machmal geht es darum,
jede einzelne, noch so kleine Welle zu betrachten. Beide Künstler arbeiten
mit analogen Mitteln; sie zeigen auch damit, dass man mit riesigen Kameras
und großen Negativen sehr schöne Bilder erschaffen kann.
Sven Piayda dagegen geht das Thema in einer abstrakteren Weise an. Im
Zentrum seiner Fotografien steht die Frage: Was genau ist das, was wir
als unendlichen Horizont verstehen? Ich habe das Gefühl, dass Sven in
seiner Arbeit eine radikale Antwort auf diese Frage liefert. Und die kommt
so zustande: Ausgehend von der Idee, dass die Breite des Meeres ein Gefühl
in uns erzeugt, ist er davon überzeugt, dass wir dieses auch abstrahieren
können.
Er komprimiert einfach diese abstrakte Information in der horizontalen
Ebene, reduziert das Bild auf die Breite eines Pixels, und expandiert
es dann wieder.
Wenn ich einen Blick auf andere Bilder Piaydas werfe und weiß, dass entweder
See oder Himmel nicht gemalt, sondern generiert ist, erkenne ich ein Muster.
Meistens erinnere ich mich dann auch an eine spezielle Passage aus Stanislaw
Lems Buch “Solaris”. Eines der Themen, mit dem sich dieses Buch beschäftig
ist das Meer, diesmal jedoch in einer ganz überraschenden Form, nämlich
als eine höhere Intelligenz, die wir geistig nicht erfassen können. Auch
hier steht diese unbegreifliche, unendliche Weite im Mittelpunkt der Fragestellung.
In Lems Buch wird das Meer als eine Art Künstler dargestellt, ein Künstler,
der uns mit seinen Wellen eine Botschaft übermitteln will. Wir können
diese Botschaft nur leider nicht begreifen.
oscar ledesma
gallerist ikosaeder
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