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Wenn Gerhard Richter sagt, er imitiere keine Fotos, sondern vielmehr mache
er Fotos, nur mit anderen Mitteln, dann ist das nicht so ohne weiteres
zu verstehen. Genauso befremdlich scheint es uns, wenn umgekehrt ein Fotograf
wie Lois Renner von sich sagt, er sei ein Maler. Malerei als Fotografie
und Fotografie als Malerei? Kann das sein?
Der Dialog zwischen Malerei und Fotografie ist so alt wie das neue Medium
selbst, d.h. seit dem Erfinden der Daguerreotypie im Jahre 1839. War die
Fotografie am Anfang noch als bloßes Hilfsmittel der Malerei in der Kunst
akzeptiert, so hat sie sich mittlerweile erfolgreich als eigenständige
Kunstform etabliert und den Vorwurf der Kunstlosigkeit des 19. Jahrhunderts
abgeschüttelt. Auch der vielzitierte Ausruf „Die Malerei ist tot!“, der
Historienmaler Paul Delaroche zugeschrieben wird, nachdem er sein erstes
Exemplar einer Daguerreotypie sah, hat sich als Fehleinschätzung herausgestellt.
Falscher hätte er gar nicht liegen können. Zum einen erfuhr die Malerei,
zumal die französische, gerade in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
entscheidende Impulse, die sie auf dem Weg in die Moderne geleiteten.
Ob es jemals eine abstrakte Malerei ohne die Fotografie gegeben hätte
ist zumindest fraglich. Wie kein anderes Medium hat die Fotografie die
Wahrnehmung und damit auch die künstlerische Wahrnehmung beeinflusst.
Mittlerweile ist sie sowohl aus dem Kunstbetrieb als auch aus dem modernen
Alltagsleben nicht mehr wegzudenken. Die Schnittpunkte zwischen Fotografie
und Malerei sind zahllos. Sie reichen von Lazlo Moholy-Nagys Photogrammen,
die abstrakter Malerei ähneln, aber durch direkte Belichtung lichtempfindlichen
Materials ohne Kamera entstehen, über Jeff Walls inszenierten Fotografien,
die Kompositionen historischer Gemälde zitieren bis hin zu Gerhard Richters
gemalten Fotografien, die die zur Fotografie gehörende Unschärfe als ästhetische
Dimension in der Malerei zelebrieren und eben dem Richterschüler Lois
Renner, der Fotografien nach dem Bildaufbau alter Gemälde komponiert.
Spätestens seit den 1960er Jahren erhielt die Fotografie Einzug in sämtliche
Künste und führte zu den Mixed-Media-Arbeiten, die den Postmodernismus
und seine Kunst geprägt haben.
Inzwischen muss sich die Fotografie mit ihrer eigenen Ersetzbarkeit auseinandersetzen
und wir können sie schon gar nicht mehr als ein in sich geschlossenes
Medium betrachten, weil nicht nur die digitale Fotografie ihren Siegeszug
angetreten hat, sondern Bilder mittlerweile auch gänzlich durch digitale
Medien generiert werden können. Hierfür hat sich der Begriff der Postfotografie
im kunsthistorischen Sprachgebrauch etabliert. [...]
Im nächsten Raum begegnen wir Werken von Sven Piayda, der von sich selbst
sagt: „Ich mag und benutze die Fotografie als Disziplin, weil sie der
Realität so ähnlich sieht, jedoch so wenig mit ihr gemein hat.“
Die Bilder von Sven Piayda
muten auf den ersten Blick wie banale Landschaftsaufnahmen an. Auf den
zweiten Blick sind sie perfekte Inszenierungen des Dargestellten. Keine
schiefen oder krummen Linien, nichts was das Auge des Betrachters stören
könnte. Alles wirkt ein wenig zu perfekt. Und das ist es auch. Sven Piayda
arbeitet mit verschiedenen Medien, die er zusammenführt: Video, Fotografie
und computergenerierte Bildwelten. Die Vorlagen sind von ihm aufgenommene
Fotos. Häufig findet Piayda die Motive im Ruhrgebiet oder an der niederländischen
Küste. Die Fotos werden dann per Computer manipuliert bis sie dem Anspruch
des Künstlers genügen und nichts mehr aufweisen, was sie als individuelle
Orte ausweist. Ähnlich wie in der Malerei ist das endgültige Bild geplant
und konstruiert. Auf diese Weise werden sie zu Projektionsflächen, zu
einer Art Bühnenraum der jeweiligen Gedanken des Betrachters. Seine Werke
wollen uns nicht mit der Realität konfrontieren, sondern mit unseren Ideen
von Realität, unseren eigenen Vorstellungen, Erinnerungen. Die Bilder
erzählen zwar selbst keine Geschichten, animieren den Betrachter aber
dazu, selbst Geschichten zu erfinden. Unweigerlich stellt er eine Verbindung
zu ihnen her. Wenn auf den Bildern Personen auftauchen, müssen sie letztlich
Anonymität und Austauschbarkeit bewahren. Letztendlich ist es die Aufgabe
der Bilder, Emotionen beim Betrachter hervorzurufen. Hierzu nutzt Piayda
so genannte „emotionale Trigger“. Das sind Dinge, die in jedermanns Erinnerung
enthalten sind. So lässt uns ein Rotstich in Fotos an alte Kindheitsfotos
denken. Die Manipulation wird allerdings nicht verborgen. Hinweise liegen
in den Motiven selbst, oder werden durch den Titel offenbart. Der Betrachter
soll den Betrug wittern, alles hinterfragen und zum Nichtglauben erzogen
werden.
Ebenso wie in den Bildwerken wird auch in der gezeigten Videoinstallation
mit der Erwartungshaltung des Betrachters gespielt. In starrer Frontaleinstellung
wird ein Strauß gelber Rosen gezeigt. Gehen wir von den Voraussetzungen
aus, dass Blumen zugleich Schönheit und Vergänglichkeit symbolisieren
und es in der Natur des Mediums liegt, zeitliche Prozesse zu dokumentieren,
so sollte man erwarten, dass die Rosen verwelken. Das passiert aber gerade
nicht. Die Blumen erscheinen weiter wie eingefroren, stattdessen nimmt
die Bildqualität zusehends ab und das Videoband scheint zu verwelken.
Das Bild wird immer unschärfer und ähnelt immer mehr dem Gemälde „Roses“
von Gerhard Richter aus dem Jahr 1994. Es zeigt sich, dass weder das Gezeigte
noch das Medium überdauern. Die Idee des Bildes aber emanzipiert sich
von seinem Bildträger.
Piaydas Arbeiten sind selbstreferentiell. Sie haben sich selbst zum Thema,
indem sie die Möglichkeiten und Grenzen der Medienwelt reflektieren. Der
Technologie kommt hierbei eine Aufgabe als Bedeutungsträger zu. [...]
Sandra König M.A.
für d-52. raum für zeitgenössische kunst, düsseldorf
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