Irish Coffee Club Interview
"Diptych" vs. "Portait"
und den Rest der Welt
 
 

Ich kam gerade in den Genuß einer exklusiven Vorab-Hörprobe von Svenīs neuem Album "Diptych". Das Sven sich weiterentwickelt hat, hört man an den ersten Tönen. Weiter weg von der Gitarrenlastigkeit und hin zu melancholisch - brutaler Elektronik, die von bratigen Gitarren gestützt wird. Eine ausführliche Plattenkritik findet Ihr unter Reviews. An dieser Stelle das erste Interview mit Sven zu seiner Musik, seiner Kunst und warum sich die beiden nicht ausschließen, sondern ein Gesamtwerk darstellen. So was braucht halt manchmal Zeit...

Es sind 2 1/2 Jahre zum Debüt "Portrait" vergangen. Was hast Du so lange gemacht?
Puh! Ne Menge. Schwierig. Es gab viele Unterbrechungen: Hardwareprobleme und da wäre noch die Kunst als Nebenbeschäftigung.

Willst Du damit sagen, daß die Musik für Dich in den Hintergrund getreten ist?
Nein, aber wenn ich mit dem einen nicht weiterkomme, beschäftige ich mich halt mit dem anderen. So produziert man keinen Mist.

Also keine Stagnation, sondern Inspiration?
So ähnlich. Es handelt sich eher um zwei Welten, aber einen Tenor. Ein Leben, eine Schaffensphase, ein Gesamtkunstwerk.

Wie siehst Du denn dann die Entwicklung zu "Portrait", wenn so viele neue Eindrücke dazu gekommen sind?
"Diptych" ist im Vergleich zu "Portrait" homogener, elektrischer und symphonischer geworden. D.h. die einzelnen Lieder sind in sich geschlossener. Man hört ihnen an, wie viel Arbeit in ihnen steckt. Die Samples sind wesentlich ausgereifter, es gibt mehr Streicher. (Grinst!) Außerdem ist die "Echheit" der Instrumente in den Hintergrund getreten, vielmehr wollte ich instrumentele Freiheit mit dem Schwerpunkt auf der Elektronik und den Gitarren. "Diptych" bietet dabei auch größere Extreme. Es gibt extrem ruhige und extrem harte Momente.

Du sagtest mal es wäre die gleiche Richtung wie "Portrait". "Diptych" kommt mir aber weniger seicht vor!
Die Marschroute ist immer noch gleich, was sich ganz deutlich an dem Titel, der Artwork und einigen Liedern ("Hold The Candle", "Take Me Home", "The Ground") zeigt. Es sind aber auch einige andere musikalische Einflüsse dazugekommen, wie z.B. "Nine Inch Nails" und "Massive Attack". Das macht "Diptych" zu "Portrait Version 2.0".

Stichwort Artwork, bzw. Titel. Was will der Künstler uns damit sagen?
"Portrait" steht für das Singuläre, also das Erste, Diptych enthält die Zahl Zwei. Es sind beides Begriffe aus der Kunst und sie lassen die zeitliche Abfolge der Alben erkennen.

Du sprachst auch von anderen neuen Einflüssen? Welche waren bzw. sind das?
"Björk", aber die Gitarren von "Brian May" und "Nuno Bettencourt". Aber diese drei haben meinen Sound schon beim ersten Album geprägt.

Aber das Brutale, Bratige in Deinen Sounds...wo kommt das her?
(Nach langem Überlegen) Frühe "Smashing Pumpkins".

Und das melancholische in Deiner Musik und besonders in Deinen Texten. Wo hat das seinen Ursprung?
Mmh, weiß nicht. Das war einfach schon immer da.

In wie fern beeinflussen Dich denn aktuelle Musikerscheinungen? Mir fällt auf, daß Du nicht dem Nu-Metal Wahn erlegen bist, obwohl Du aus derselben Richtung kommst.
Bis auf wenige Ausnahmen ist Nu-Metal "Schema F", Klischees erfüllen. Rein gitarrentechnisch sind wir im Mittelalter stagniert. Was nicht heißt das ich keinen Respekt vor diesen Bands habe, aber es fordert mich einfach nicht. Innovationen gibtīs in der Elektronik, siehe "Daft Punk" oder "Air". Gerade bei "Daft Punk" findet man gesampelte Gitarren, die wirklich interessant sind.
(Nach einer kurzen Pause) Es gibt auch wunderschöne Popmusik. Da gibt es sicherlich die schönsten Songs. Aber darunter tummelt sich auch jede Menge mediengepuschter Retortenpop, der bis zum Erbrechen rauf und runter gedudelt wird.

Aber wo kommt so viel Elektronik her, da "Portrait" so gitarrenlastig ist?
Durch "Garbage" und "David Bowie" hab ich gemerkt, daß Rockmusik, die gekonnt mit Elektronik spielt, sehr spannend ist und an Drive gewinnt. Das ist Rockmusik auf der nächsten Ebene. Vor einigen Jahren hielt ich noch nichts von elektronischer Musik. "Björk" bildete da die Ausnahme, da sie für mich Gitarrensound intelligent ersetzte. Erst bei den Aufnahmen zu "Portrait" merkte ich, daß Elektrosounds eine Bereicherung sein können. Dabei sollte "Portrait" noch nach echter Band und organisch klingen, woran ich jetzt kein mehr Interesse habe. Ich glaube nicht mehr, daß die Elektronik der Authentizität im Weg steht.

Wann wird das neue Album rauskommen und was haben wir weiterhin von Dir zu erwarten?
"Diptych" ist ab dem 25.03.02 zu beziehen. Ich habe im Moment viele neue Ideen, die ich aber erst mal ordnen muß. Aber ich halte Euch auf dem Laufenden.
(Anm. d. Red.: Aktuelle Informationen, Fakten und freier Download auf www.svennet.20m.com)

Vielen Dank für das Gespräch.
Ich danke auch.

Das Interview führte Alina Mori für Irish Coffee Club