|
sven
piayda #
H O W D E E P I S Y O U R L O V E galerie
tellerrand, gelsenkirchen 2015-11-01 —
2016-01-31 (extended)
opening 2015-11-01, 8 pm laudatio by michael em walter features interview
with michael em walter and sven piayda sven
piayda @ galerie tellerand #howdeepisyourlove
(archive of complete online show) galerie
tellerand
galerie-tellerrand.de
"How deep is your love..." … der Titel des BeeGees-Songs ist Titel unserer
aktuellen Ausstellung. Er liefert zugleich ein zentrales Thema der Arbeiten Piaydas:
Tiefe. Seit der Renaissance stellt die Erzeugung, die Herstellung von Dreidimensionalität
in einem zweidimensionalen Medium für viele Künstler eine besondere Herausforderung
dar – vor allem natürlich in Zeichnung und Malerei. Piayda transformiert diesen
klassischen Topos ins Digitale. Wir blicken auf den Bildschirm unseres Computers,
der heutzutage in den allermeisten Fällen ein Flachbildschirm ist. Eine zeitgenössische
Form des Tafelbildes also!? Der Computer-Bildschirm gibt in verschiedenen Dimensionen
Tiefe frei: Zum einen lässt er uns in die Tiefen des WorldWideWeb blicken; zum
anderen aber führt uns Piayda die künstliche, virtuelle, digitale Kreation von
Tiefe vor. An Architekturmodelle erinnernde Grafiken zeigen Schichten, Oberflächen,
Kurven, Hintergründe. Wir suchen nach Vertrautem, erkennen Fragmente
von Stadtansichten, geologische Modelle – auch hier geht es wieder buchstäblich
in die Tiefe, die aber natürlich wiederum nur virtuell ist; Tiefe, die uns durch
den Künstler vorgegaukelt wird. In der Werkreihe „Model Maps“ nämlich widmet sich
Piayda dem Thema Landschaft, und zwar in kartographischer Form. Die Serie zeigt
topographische Reliefkarten, die die Beschaffenheit der Erdoberfläche vermeintlich
in drei Dimensionen vorführt. Das Vorführen des Sehens – ein der Bildkunst inhärentes
Thema seit frühester Zeit, wird hier aufgegriffen und – interessant! – in einem
Medium präsentiert, auf das wir uns eigentlich verlassen zu können glauben: die
Karte. Karten sind dafür da, uns Orientierung zu geben, Hilfestellung zu leisten
auf unserem Weg an ein Ziel. Sie bilden in der Regel in übersichtlicher und leicht
lesbarer Weise das ab, was es gibt. Fast alle Ortschaften lassen sich per Internetsuche
auch „verorten“. „Subata“ aber beispielsweise führt zu keinem Treffer. Und ob
diese Karten überhaupt das Terrain der entsprechenden Ortschaften wiedergeben,
bleibt das Geheimnis des Künstlers. Es ist ein Spiel mit Schein und Sein. Wie
es in Subata tatsächlich zugeht, wie es dort aussieht, können wir uns vielleicht
bloß in unserem Kopf ausmalen! Die berühmte Serie „Vier Jahreszeiten“
des italienische Meisters des Manierismus Arcimboldo führt uns das „neue Sehen“
vor Augen: Auf den ersten Blick sind hier Porträts im Profil zu erkennen, auf
den zweiten aber zerfallen die Bilder in Obst, Gemüse und Pflanzen. Bei Piayda
ist es interessanterweise genau umgekehrt: Auf den ersten Blick sehen wir in seinen
Jahreszeiten reliefartige Strukturen und Oberflächen, die erst bei genauerem Hinschauen
an Tiefenstruktur gewinnen und sich zu einem Bild zusammenschließen.
Bemerkenswert im Hinblick auf diese Portraits scheint mir ferner: Der Mensch,
der bislang eher am Rande des Piayda'schen Schaffens einen Platz fand, wird hier
zum ersten Mal und im Grunde unverstellt gezeigt, er rückt in den Mittelpunkt
des Interesses. Aber dieser Schein trügt! Wenn wir uns nämlich vor Augen führen,
dass auch die Bilder Arcimboldos den Menschen mit Material aus Früchten und Pflanzen
zusammensetzen, kommt man vielleicht auch im Falle Piaydas letztlich zum dem Schluss,
dass das uns so natürlich erscheinende und so vertraute menschliche Antlitz letztlich
nicht zu mehr dient, als das Materialreservoir für die Motivfindung zu bilden.
Denn Piaydas Arbeit ist zunächst und in allererster Linie ein Spiel mit dem Material
und der Frage danach, was man aus ihm für die Bildkonstruktion gewinnen kann.
Letztlich behalten uns so die Inhalte der Bilder in gewisser Weise auf Distanz
zu sich, sie wirken merkwürdig kühl und gleichsam objektiviert. Ein
weiterer Schwerpunkt unserer Ausstellung bildet das Video. Eine Arbeit sei an
dieser Stelle beispielhaft beschrieben. “Watergate“ beginnt mit einem Bildausschnitt,
einer Einstellung, die aufgrund der Lichtatmosphäre – warme Gelbtöne von Straßenlaternen
bilden einen Kontrast mit dem kühlen Weiß-Blau des Abendhimmels – vielleicht am
ehesten an Straßenansichten von Edward Hopper erinnern. Der rechte Teil der Einstellung
ist unbewegt, wie eine Fotografie; in dem linken Einstellungsteil tänzeln stetig
Lichtreflexe auf der bewegten Wasseroberfläche. Wenn sich das Bildzentrum in Form
des kleinen Bootes in Bewegung setzt und die Kamera in einem Zoom diese Bewegung
mitvollzieht, gerät die rechte, unbewegte Ecke der Kameraeinstellung zunehmend
aus dem Fokus und verschwindet letztlich ganz. Was bleibt, ist die ruhig fließende
Bewegung der Wasseroberfläche und das fahrende Boot. Ein Schleusentor schließt
sich: „Watergate“. Mehr sei nun nicht verraten, da wir ja auch noch ein ausführliches
Interview mit Sven Piayda geführt haben, welches in der virtuellen Ausstellung
abrufbar ist! #howdeepisyourlove zeigt digitale Vielfalt. Ich wünsche
Ihnen, liebe Besucherinnen und Besucher, einen erkenntnisreichen Besuch in der
aktuellen Ausstellung der Galerie Tellerrand. —
michael em walter
svenpiayda.com/photography
|