2013-05-11 'paintografie' introduction speech by sandra könig m.a.
at d-52. raum für zeitgenössische kunst, düsseldorf

 


Wenn Gerhard Richter sagt, er imitiere keine Fotos, sondern vielmehr mache er Fotos, nur mit anderen Mitteln, dann ist das nicht so ohne weiteres zu verstehen. Genauso befremdlich scheint es uns, wenn umgekehrt ein Fotograf wie Lois Renner von sich sagt, er sei ein Maler. Malerei als Fotografie und Fotografie als Malerei? Kann das sein?


Der Dialog zwischen Malerei und Fotografie ist so alt wie das neue Medium selbst, d.h. seit dem Erfinden der Daguerreotypie im Jahre 1839. War die Fotografie am Anfang noch als bloßes Hilfsmittel der Malerei in der Kunst akzeptiert, so hat sie sich mittlerweile erfolgreich als eigenständige Kunstform etabliert und den Vorwurf der Kunstlosigkeit des 19. Jahrhunderts abgeschüttelt. Auch der vielzitierte Ausruf „Die Malerei ist tot!“, der Historienmaler Paul Delaroche zugeschrieben wird, nachdem er sein erstes Exemplar einer Daguerreotypie sah, hat sich als Fehleinschätzung herausgestellt. Falscher hätte er gar nicht liegen können. Zum einen erfuhr die Malerei, zumal die französische, gerade in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entscheidende Impulse, die sie auf dem Weg in die Moderne geleiteten. Ob es jemals eine abstrakte Malerei ohne die Fotografie gegeben hätte ist zumindest fraglich. Wie kein anderes Medium hat die Fotografie die Wahrnehmung und damit auch die künstlerische Wahrnehmung beeinflusst. Mittlerweile ist sie sowohl aus dem Kunstbetrieb als auch aus dem modernen Alltagsleben nicht mehr wegzudenken. Die Schnittpunkte zwischen Fotografie und Malerei sind zahllos. Sie reichen von Lazlo Moholy-Nagys Photogrammen, die abstrakter Malerei ähneln, aber durch direkte Belichtung lichtempfindlichen Materials ohne Kamera entstehen, über Jeff Walls inszenierten Fotografien, die Kompositionen historischer Gemälde zitieren bis hin zu Gerhard Richters gemalten Fotografien, die die zur Fotografie gehörende Unschärfe als ästhetische Dimension in der Malerei zelebrieren und eben dem Richterschüler Lois Renner, der Fotografien nach dem Bildaufbau alter Gemälde komponiert. Spätestens seit den 1960er Jahren erhielt die Fotografie Einzug in sämtliche Künste und führte zu den Mixed-Media-Arbeiten, die den Postmodernismus und seine Kunst geprägt haben.


Inzwischen muss sich die Fotografie mit ihrer eigenen Ersetzbarkeit auseinandersetzen und wir können sie schon gar nicht mehr als ein in sich geschlossenes Medium betrachten, weil nicht nur die digitale Fotografie ihren Siegeszug angetreten hat, sondern Bilder mittlerweile auch gänzlich durch digitale Medien generiert werden können. Hierfür hat sich der Begriff der Postfotografie im kunsthistorischen Sprachgebrauch etabliert. [...]


Im nächsten Raum begegnen wir Werken von Sven Piayda, der von sich selbst sagt: „Ich mag und benutze die Fotografie als Disziplin, weil sie der Realität so ähnlich sieht, jedoch so wenig mit ihr gemein hat.“


Die Bilder von Sven Piayda muten auf den ersten Blick wie banale Landschaftsaufnahmen an. Auf den zweiten Blick sind sie perfekte Inszenierungen des Dargestellten. Keine schiefen oder krummen Linien, nichts was das Auge des Betrachters stören könnte. Alles wirkt ein wenig zu perfekt. Und das ist es auch. Sven Piayda arbeitet mit verschiedenen Medien, die er zusammenführt: Video, Fotografie und computergenerierte Bildwelten. Die Vorlagen sind von ihm aufgenommene Fotos. Häufig findet Piayda die Motive im Ruhrgebiet oder an der niederländischen Küste. Die Fotos werden dann per Computer manipuliert bis sie dem Anspruch des Künstlers genügen und nichts mehr aufweisen, was sie als individuelle Orte ausweist. Ähnlich wie in der Malerei ist das endgültige Bild geplant und konstruiert. Auf diese Weise werden sie zu Projektionsflächen, zu einer Art Bühnenraum der jeweiligen Gedanken des Betrachters. Seine Werke wollen uns nicht mit der Realität konfrontieren, sondern mit unseren Ideen von Realität, unseren eigenen Vorstellungen, Erinnerungen. Die Bilder erzählen zwar selbst keine Geschichten, animieren den Betrachter aber dazu, selbst Geschichten zu erfinden. Unweigerlich stellt er eine Verbindung zu ihnen her. Wenn auf den Bildern Personen auftauchen, müssen sie letztlich Anonymität und Austauschbarkeit bewahren. Letztendlich ist es die Aufgabe der Bilder, Emotionen beim Betrachter hervorzurufen. Hierzu nutzt Piayda so genannte „emotionale Trigger“. Das sind Dinge, die in jedermanns Erinnerung enthalten sind. So lässt uns ein Rotstich in Fotos an alte Kindheitsfotos denken. Die Manipulation wird allerdings nicht verborgen. Hinweise liegen in den Motiven selbst, oder werden durch den Titel offenbart. Der Betrachter soll den Betrug wittern, alles hinterfragen und zum Nichtglauben erzogen werden.


Ebenso wie in den Bildwerken wird auch in der gezeigten Videoinstallation mit der Erwartungshaltung des Betrachters gespielt. In starrer Frontaleinstellung wird ein Strauß gelber Rosen gezeigt. Gehen wir von den Voraussetzungen aus, dass Blumen zugleich Schönheit und Vergänglichkeit symbolisieren und es in der Natur des Mediums liegt, zeitliche Prozesse zu dokumentieren, so sollte man erwarten, dass die Rosen verwelken. Das passiert aber gerade nicht. Die Blumen erscheinen weiter wie eingefroren, stattdessen nimmt die Bildqualität zusehends ab und das Videoband scheint zu verwelken. Das Bild wird immer unschärfer und ähnelt immer mehr dem Gemälde „Roses“ von Gerhard Richter aus dem Jahr 1994. Es zeigt sich, dass weder das Gezeigte noch das Medium überdauern. Die Idee des Bildes aber emanzipiert sich von seinem Bildträger.


Piaydas Arbeiten sind selbstreferentiell. Sie haben sich selbst zum Thema, indem sie die Möglichkeiten und Grenzen der Medienwelt reflektieren. Der Technologie kommt hierbei eine Aufgabe als Bedeutungsträger zu. [...]

Sandra König M.A.

für d-52. raum für zeitgenössische kunst, düsseldorf