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Mit den digitalen Wiederveröffentlichungen
der drei ikonischen AESTATE Alben setzt Zany Music der Gruppe ein würdiges Denkmal
und beendet gleichzeitig ein Ära. Aber von vorn: Nach dem naiv freundlich verspieltem
Debutalbum von Sven Piayda´s Record Of Tides und den durch Ambition heraufbeschworenen
Frust mit dem audiovisuellem Projekt Sellafield gründet Sven Piayda 2006 mit Chris
Huff AESTATE.
Der Erstling von 2007 positioniert die Gruppe eindeutig:
Komplex, übermächtig und ohne Zugeständnisse. In Reviews wird ihnen Intelligenz
und Distanz zum Gefälligen attestiert, dabei finden sich auch auf dem Debüt durchaus
wohlige Downbeat-Tracks. Das Album irritiert und fasziniert, Huff und Piayda schrauben
derweil längst am Nachfolger, der schon ein Jahr später erscheint und auch Interesse
von anderen Labels weckt. Superflat kann als Titel nur ironisch aufgefasst
werden, selbst das Wechselcover verspricht maximale Dynamik und stetige Veränderung.
Das Album wird zum Kritikerliebling und auch kommerziell relevant – präsentieren
AESTATE doch ihre Version von Popmusik oder dem, was nach der Apokalypse noch
davon übrig sein mag. Man kann Elemente von Hip Hop, Pop oder Drone heraushören
und es direkt IDM nennen, tatsächlich ist Superflat ein sehr eigenständiges Stück
Musik im elektronischen Genre. Nach einigen auf diversen Netlabels verstreuten
EPs folgt 2011 der finale Streich: Carbonized mag dem Namen nach analoges
(oder auch das verbrannte Ende) verheißen, jedoch wird das Konzept des Vorgängers
weitergeführt. Leider ging AESTATE das lässige Pop-Appeal verloren und das Album
blieb weitestgehend verschmäht. Auch nach Jahren bleibt die raue Oberfläche erhalten,
jedoch finden sich auch hier darunter feine Perlen. Die Kritik wusste, dass Streicheleinheiten
teils schwer verdient werden mussten. AESTATE suchten stets Kontakt zu Netlabels
und Livepublikum, beiden machten sie es nie einfach, sich selbst jedoch auch nicht.
Chris Huff war nur selten vor eine Kamera zu bekommen und musste auch live das
eine oder andere mal ersetzt werden. Dennoch, ihre Konsequenz bleibt bemerkenswert,
AESTATE suchten nie die Anerkennung der Masse, stets die des Einzelnen. Auch
zehn Jahre nach dem letzten Album bleiben sie selbst und auch ihre Musik unfassbar,
auch wenn diese mit unaufhaltbarer Wucht in die Welt geschlagen wurde. Die Kritik
wusste ihren Sound zeitlich nie zu verorten, Retro-IDM oder doch Patches aus der
Zukunft? Autechre-Klon oder Techno-Analphabet? Waren sie ihrer Zeit voraus, sind
sie es immer noch oder sind dies nur Phrasen, um die Unverortbarkeit zu kaschieren?
Regeln galten immer nur für die anderen.
AESTATE kamen aus einem Paralleluniversum,
aus einem alternativen Zeitstrang und aus der Ruhrmetropole Essen. Ihr Werk bleibt
was es ist und Dank der digitalen Reissues sogar der Nachwelt ein wenig länger
erhalten. Huff und Piayda hat man abseits von Promofotos nie (mehr) zusammen gesehen.
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