pressetexte
Hintergrund
der Werke und Ausstellungen ist die visuelle Arbeit von AESTATE wie Cover-
und Website-Design, Musikvideo und Live-Visuals. Aus dieser Arbeit ergab
sich der künstlerische Ableger namens AESTATEvisual, in welchem neben
Huff und Piayda weitere Künstler das visuelle Konzept ausbauen. Dieses
rein visuelle Werk umfasst große computergenerierte Bilder sowie Nadelmalerei
(Michaela Best) und Videoinstallation (z.T. in Kollaboration mit Jay Hammes
und Anna Dannert). Die Gemeinsamkeit der Arbeiten liegt in den durch Vektoren
definierten grafischen (Ober-)Flächen, deren Konstruktion, Permutation
und Dekonstruktion. Den Weg in die Realität finden diese Vektoren als
Fäden in den Stickerein. Die erste Einzelausstellung von AESTATEvisual
zeigte das Anyway in Essen vom 11. Juli bis zum 18. September 2009.
AESTATE
Mit ihren kompromisslosen audiovisuellen Transformationen positionieren
sich AESTATE zwischen Kunst und Club, Kultur und Party. Chris Huff und
Sven Piayda gründeten das Projekt 2006 und produzierten seitdem zwei Alben,
eine downloadbare EP, ein Remixalbum sowie eine Live-DVD. Sie arbeiten
jedoch schon seit 2002 an gemeinsamen Projekten und schöpfen aus einem
großen Pool von Stilen und Einflüssen, welche sie bei AESTATE komplex
miteinander verweben. Stilistisch werden AESTATE oft als Electronica oder
IDM bezeichnet, wobei ihr Sound stetig wandelnd neben abstrakten Grooves
auch technoide Geradlinigkeit hervorbringt. Huff und Piayda begreifen
den eigenen Sound als universell und generativ.
AESTATE spielen seit 2006 live (seit 2008 auch mit Visuals) in Locations
und auf Festivals wie Dortmunder Museumsnacht, Forum Freies Theater, FZW
Dortmund, Ruhr In Love, Audiodigitale, raumlaborberlin´s Opernbauhütte
und Bitstream.
2009 gründeten sie mit befreundeten Künstlern die Ablegergruppe
AESTATEvisual und stellten in ihrer Heimatstadt Essen aus.
Ihr Output umfaßt Disziplinen wie digital generierte Prints, Stickereien
und Videoinstallationen (jedoch ohne Sound).
offizieller Pressetext 2009 (updated)
REVIEW AESTATEvisual - Hintergründe
Längst ist die Ausstellung von AESTATEvisual im Anyway vorüber. Es waren
zwei erfolgreiche Monate, in denen die Kunstwerke für einiges Aufsehen
sorgten. Die Künstler sind zufrieden und die Besucher waren es auch. Zeit
für einen kleinen Review und einige möglicherweise erhellende Worte.
Was gab es überhaupt zu sehen? Große s/w-Kopien, Visuals, großformatige
Hochglanzfotos und Stickereien. Grundlagen dieser Arbeiten sind vektorbasierte
Grafiken, die auf dem Computer entwickelt und animiert wurden.
Stund um Stund hat der Künstler damit verbracht, Pixel bzw. in diesem
Falle Vektoren hin- und herzuschieben. Das Ergebnis dessen sind die Videos.
Diese Videos bildeten anschließend die Basis für die weiteren Arbeiten.
Aber selbst die Videos sind nicht der eigentliche Ursprung, denn diese
wiederum wurden als Visuals zu der elektronischen Musik von AESTATE produziert.
Die Musik von AESTATE also: die pulsierenden, knirschenden und knackenden
Geräusche, das Pluckern, Brummen und Piepsen, konstruiert am Computer
– alles verändert sich kontinuierlich, ist mal harmonisch, dann wieder
nicht, zerfällt und wird letztlich zu einem komplexen Klangteppich verwoben.
Um dies alles zu untermalen und illustrieren wurden die Videos erschaffen.
Harmonien, Disharmonien werden in Bewegung umgesetzt; zerfällt die Musik,
zerfallen auch die Formen und Farben in den Visuals.
Beschleunigung, Entschleunigung – Konstruktion, Permutation, Dekonstruktion.
Dies alles findet sich in den Videos wieder und zeigt die Umsetzung von
Tönen in Bilder. Für die Ausstellung wurde nun aber die Musik herausgenommen
und übrig bleiben nur die Bilder. Aus diesen Videos sind die Fotos entstanden,
die im ursprünglichen Sinne gar keine Fotos sind, denn es wurde überhaupt
nichts auf herkömmliche Weise fotografiert. Es sind Momentaufnahmen –
stills – einer komplexen digitalen Struktur.
Es gibt keine Musik mehr, die Bilder bewegen sich auch nicht mehr. Und
trotzdem sieht man die Bewegung in den Fotos; sie sind so kraftvoll und
bunt, dass sie die Dynamik, die ihnen in den Videos zugrunde liegt, auch
als bewegungsloses Bild weiter in sich tragen. Die Fotos sind im Grunde
Näherungswerte. Sie versuchen sich einem Ideal anzunähern, dass es aber
nur als perfekte Vorlage in den Videos gibt. So gesehen entsprechen sie
auch wieder dem ursprünglichen Zweck eines Fotos – nämlich einen Moment
einzufangen und ihn in seiner Perfektion festzuhalten. Das kann ein Foto
jedoch niemals leisten, es bleibt immer ein Abbild.
Schon Magritte versuchte uns darauf aufmerksam zu machen, als er eine
gemalte Pfeife untertitelte mit „Ceci n’est pas une pipe“ – dies ist keine
Pfeife. Das Bild der Pfeife ist keine Pfeife und ein Foto einer Person
ist nicht die Person. So also auch bei den Fotos von AESTATEvisual. Die
gezeigten Formen und Farben existieren in der dargestellten Weise lediglich
für den Bruchteil einer Sekunde in den Videos. Vergleichbar sind damit
die s/w-Kopien, die Formen zeigen, die in den Videos auch nur in schwarz-weiß
auftauchen. Ebenso wie die Farbfotos zeigen sie eine Momentaufnahme der
Videos, lediglich in einer anderen Form der Präsentation – der zugrunde
liegende Ursprungsmoment und seine Perfektion bleiben gleich. Ebenso verhält
es sich mit den Stickereien – auch sie sind Näherungswerte. Sie sind ebenfalls
nicht in der Lage den Ursprungsmoment perfekt abzubilden, aber das sollen
sie auch gar nicht. Sie sind eine wieder andere Form der Herangehensweise.
In diesem Fall kommt noch eine weitere Komponente hinzu: Die Fäden der
Stickereien stellen in der realen Welt die digital produzierten Vektoren
dar. Der Faden zeigt den Vektor, der wiederum die Form definiert. Eine
hochmoderne Technik wird in eine jahrhundertealte Tradition transferiert
– eine Kombination, die es zuvor noch nicht gab. Und heraus kommen ganz
eigenständige Bilder, die zwar nicht mehr viel mit dem Ausgangsmaterial
zu tun haben, aber ebenfalls die gleiche kraftvolle Dynamik zeigen wie
die anderen Arbeiten.
Das Verbindende aller Werke, der Fotos, der Kopien, der Stickereien, der
Videos, sind die Farben und Formen und ihre unterschiedliche Darstellung.